Mittleres Management im Stress: Auswege aus der „Sandwich-Falle“

Autor: Xenia Below

· Veröffentlicht: · Zuletzt aktualisiert: ·

Führungskräfte, Organisationsentwicklung

· 5 Min. Lesezeit

Sie fühlen sich minderwertig, werden nicht respektiert und können es niemandem Recht machen: Führungskräfte im Mittleren Management stehen ständig unter Druck – und leiden unter der Last der Anforderungen. Unsere Kollegin Xenia Below erklärt das Dilemma der „(Wo-)Men in the Middle“, spricht über die Ursachen der Sandwichfalle – und über Lösungsansätze.

Eine Frau sitzt gestresst vor ihrem Laptop
Das Mittlere Management muss den Drahtseilakt aus Anforderungen und fehlenden Befugnissen meistern. Willkommen in der Sandwich-Falle! (Foto: Elisa Ventur, Unsplash)

Mittleres Management: Häufig von Unzulänglichkeitsgefühlen und Stress geplagt

„Nichts, was ich tue, ist gut genug, niemand respektiert mich, niemandem kann ich es recht machen. Dabei gebe ich wirklich mein Bestes, arbeite viel und mehr und auch am Wochenende, bin ständig erreichbar, drehe mich förmlich im Kreis! Aber es reicht einfach nicht …“

Die Strophen zu diesem Klagelied können viele Führungskräfte (nicht nur) im Mittleren Management schmerzlich und auswendig. Sie sind Ausdruck einer Spirale aus teilweise widersprüchlichen Anforderungen, aufreibenden Anstrengungen und resignativer Erschöpfung. In meiner Arbeit begegne ich häufig Menschen, die in ihrer Sandwich-Position im Mittelmanagement versuchen, allen Anforderungen gerecht zu werden. Den entstehenden Stress versuchen sie dabei primär durch (noch mehr) Selbstoptimierung, Yoga, Meditation oder grüne Smoothies zu regulieren. Wenn diese Lösungsansätze nicht die gewünschte Erleichterung bringen, steht bei vielen ambitionierten Führungskräften oft die bittere Frage im Raum: „Vielleicht bin ich es einfach, der/die nicht für den Job gemacht ist?“

Typische Strategien sind oftmals kontraproduktiv

Die Erwartungen der verschiedenen Stakeholder – Kund:innen, Kolleg:innen und Chefs – wiegen schwer auf den Schultern der mittleren Führungsetage. Um ihre externen und internen Partner:innen nicht zu enttäuschen, entwickeln Führungskräfte der mittleren Ebenen oft reflexartige Strategien für den Umgang mit diesem Druck.

Nicht immer sind diese Strategien hilfreich. Eine der vier typischsten Bewältigungsstrategien ist z.B., dass sich Führungskräfte unbewusst zu Botenjungen und -mädchen im Dienste ihrer Auftraggeber:innen machen. Sie versuchen buchstäblich zum „People Pleaser” zu werden und es allen recht zu machen.

Die Folge: Plötzlich brauchen sie außer starken Schultern auch Ausdauer, Durchhaltevermögen und starke Wadenmuskulatur, denn die metaphorischen Treppen rauf- und runterzurennen, bedarf einer gewissen Kondition.

Ein Beispiel:

Oben in der Führungsetage: Das Topmanagement formuliert Produktivitätsziele. ­Klar, das mittlere Management kümmert sich darum und gibt sie nach unten weiter. Dort beschweren sich dann die Mitarbeiter:innen, dass für diese Produktivitätsziele die geplanten Homeoffice-Regelungen endlich greifen müssen –  und das benötigte Equipment fehle ebenfalls noch. Was macht das mittlere Management? Richtig, es kümmert sich auch darum und redet mit „denen da oben“…

… und schon befindet es sich auf dem nächsten Botengang.

Mitarbeiterportrait: Xenia Below
Xenia Below ist systemische Organisationsberaterin am IOS und Product Ownerin für das Szenario-Lernspiel "Organisations-Workshop" (OW).

Das Problematische an dieser Strategie ist, dass das Mittlere Management weder die Dienstleistungen oder das Produkt (wie in diesem Beispiel) selbst herstellt. Es hat keinen direkten Einfluss auf die Produktivität. Und ihm fehlen die notwendigen Befugnisse oder finanziellen Mittel, um das Material für die Mitarbeiter:innen zur Verfügung zu stellen.

Das Mittlere Management wird (und macht sich auch oft unbewusst) zum Pufferkissen zwischen den organisationalen Ebenen. Sie gelangen in die Sandwich-Falle.

Spätestens jetzt befinden sich die „(Wo-)Men in the Middle“ in einem ausgewachsenen Dilemma. Beim Hürdenlauf durch die Organisation verlieren sie nicht nur ihre Unabhängigkeit indem sie sich den Agendas anderer verschreiben, sondern auf lange Sicht auch den Verstand. Das Gefühl, das sich bei dieser Verausgabung einstellt, ist Verzweiflung darüber, den an sie gestellten Ansprüchen nicht gerecht zu werden. Das hat nicht selten eine innere Zerrissenheit, Selbstzweifel und ultimativ ein Sich-in-Frage-Stellen zur Folge: “Wenn ich diesen Job nicht schaffe, dann kann es ja nur an mir und meiner Inkompetenz liegen.”

Das Ergebnis kann schmerzliche Resignation sein und der Verlust von Selbstwirksamkeit.

Systemblindheit sorgt für destruktive Muster und Stress im Mittleren Management

Eine Ursache dieser Problematik ist das allgemein im Unternehmenskontext verbreitete Mindset von Einzel- und persönlichen Individuallösungen. Dieses Mindset wiederum ist nur deshalb möglich, weil die Menschen typischerweise blind für die Wirkmechanismen von Systemen und Kontexten sind. Ein Zusammenspiel, das destruktive und lähmende Konsequenzen hat – nicht nur für die Menschen, sondern auch für die Organisationen selbst. Den Verschleiß von Fachkräften unter anderem im mittleren Management kann sich kaum ein Unternehmen dauerhaft leisten.

Mein Credo: „Let’s stop fixing people and start fixing systems!“

Es geht nicht darum, die Spieler:innen periodisch auszutauschen! Es geht darum, ihnen dabei zu helfen, die gegebenen systemischen Bedingungen im ersten Schritt zu sehen und zu begreifen. Im konkreten Fall der mittleren Managementwelt ist es die Sandwichklemme. Denn wie die Schwerkraft auf der Erde sind diese Bedingungen einfach da. Unabhängig davon, welche Personen im Mittelmanagement sind, wird ihr Erleben typischerweise geprägt sein von einem Ziehen und Zerren zwischen konkurrierenden Anforderungen und Prioritäten. Wenn wir diese Systemeinsicht haben, gilt es im nächsten Schritt Menschen zu befähigen, diese Systeme im Dienst partnerschaftlicher Zusammenarbeit zu navigieren. Das sorgt für nachhaltige Wirksamkeit in und zwischen allen Rollen.

Fazit: Mittleres Management stärken durch Systemverständnis

Die Stärkung des Mittleren Managements mithilfe des systemischen Ansatzes ist für das gesamte Unternehmen ein Gewinn. Um die Systemblindheit zu überwinden und die Negativspirale aus individuellen Strategien und Überforderung zu beenden, setzen wir auf Lernen durch Erleben. Wir arbeiten mit Führungskräften gern mit einem Gamification-Ansatz.

Ein Format, das sich genährt durch empirische Wissenschaft in der Praxis bewährt hat, ist der Organisations-Workshop nach Barry Oshry des amerikanischen Anbieters Power+Systems.

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Das Eintauchen in den spielerisch konzipierten Workshop macht die Sandwich-Position des Mittleren Managements und seine Zwickmühle im Zusammenspiel aller Stakeholder körperlich erfahrbar. Dabei gelangen Führungskräfte nicht selten heilsam zu der Einsicht, dass die vorgegebenen Bedingungen ihrer Arbeitsrealität in Organisationen dazu einladen, Gefühle von Überforderung, Zerrissenheit und Ohnmacht oder Vernachlässigung auszulösen. Und sie erlauben sich den Gedanken, dass diese schmerzvollen Erfahrungen nicht allein in ihnen als Person, sondern stark im System mitbegründet sind.

Während des Workshops bieten wir den Teilnehmer:innen deshalb auch konkrete Auswege und Strategien, wie sie ihre Rollen gestärkt im System leben können. Es geht darum, die Menschen in ihrer Kreativität, Mündigkeit und Gestaltungskompetenz zu befähigen. Außerdem darum, Führungskräfte des Mittleren Managements miteinander zu vernetzen. Ich bin überzeugt davon, dass ein erweitertes Systemverständnis einen maßgeblichen Beitrag dazu leisten kann, dass Mittelmanager:innen einen bewussten und konstruktiven Umgang mit den Gegebenheiten in Unternehmen finden können. Dieser kann ihnen den kopflosen „Treppenlauf“ ersparen und mehr Zeit und Energie für gesunde Arbeitsabläufe freisetzen.

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