Entscheidungen treffen im Team: Warum Methoden allein nicht wirken und was wirklich zählt.

Autor: Theo Boitor

· Veröffentlicht: · Zuletzt aktualisiert: ·

Führungskräfte, Teamentwicklung

· 10 Min. Lesezeit

Gute Entscheidungen treffen im Team ist manchmal eine echte Herausforderung! Nicht selten sind Entscheidungsprozesse unproduktiv und frustrierend. Die Gründe dafür liegen aber meistens nicht in der Entscheidung selbst, sondern an verborgenen Konflikten im Team. Warum die beste Methode zur Entscheidungsfindung nicht wirkt, wenn die Gruppendynamik nicht mitspielt und was du tun kannst, damit ihr im Team doch noch richtig gute und tragfähige Entscheidungen trefft, erfährst du in diesem Beitrag.

Entscheidungen im Team treffen

Was sind gute Teamentscheidungen?

Gute Entscheidungen werden schnell getroffen. Sie kommen in der Regel dann zustande, wenn sowohl das dafür benötigte Wissen als auch die bereits gewonnene relevante Erfahrung in effizienter Weise in den Entscheidungsfindungsprozess mit einfließen. Wenn ein Team eine Entscheidung mit Überzeugung gemeinsam tragen und umsetzen soll, dann sollten die Teammitglieder im Entscheidungsprozess eingebunden sein.

Kurz gesagt: Jede:r bringt sich ein und alle profitieren von der Vielfalt an Perspektiven und Erfahrungen.

Das Problem: Entscheidungsfindung im Team kann manchmal ziemlich schwer sein.

Fast jedes Team kennt Situationen, in denen es zu langen unproduktiven Diskussionen kommt, an denen am Ende keine Entscheidung gefallen ist. Da wird es emotional, manche ziehen sich zurück und am Ende sind alle frustriert und fragen sich, warum sie ihre Zeit für diese ergebnislose Diskussion vergeudet haben. Aber wenn gute Entscheidungen so wichtig sind, warum funktioniert es dann nicht so einfach?

Gründe, warum die Entscheidungsfindung im Team scheitert

Häufig verstehen Führungskräfte und Moderator:innen die Teamdynamik nicht gut genug und erkennen nicht, welche Ursachen hinter dem beobachteten Verhalten stecken könnten. Sie wissen nicht, wie sie die vorhandenen Widerstände sichtbar und besprechbar machen, um sie anschließend gemeinsam in der Gruppe zu lösen.

Das weiterentwickelte Verständnis von Gruppendynamiken aus Deep Democracy und der Prozessarbeit von Arnold Mindell, Greg und Myrna Lewis, welches den Kern von Lewis Deep Democracy und CoResolve bildet, kann hier Abhilfe schaffen.

Tatsächlich beobachten wir beispielsweise folgende Gründe, die eine Entscheidungsfindung im Team erschweren:

  1. Emotionale Beteiligung

Das bedeutet: Einige aus dem Team agieren sich innerhalb der Gruppe aus, es kommt zu emotionalen Ausbrüchen wie Wutanfällen oder Tränen. Der Rest des Teams ist dadurch verunsichert. Die Folge: betretenes Schweigen, in dem niemand mehr seine oder ihre Meinung äußern möchte.

  1. Kein Commitment und fehlende Identifikation

Einige oder viele Teammitglieder verweigern sich passiv oder aktiv dem Entscheidungsprozess. Sie sind zwar körperlich anwesend, aber offenbar geistig abwesend. Das können Anzeichen für grundsätzliche Probleme in der Teamkultur sein.

  1. Das Team spürt nicht, dass die Führungskraft eine partizipative Entscheidungsfindung will

Zwar wurde kommuniziert, dass eine gemeinsame Entscheidung getroffen werden soll – aber das Team ist trotzdem verunsichert und glaubt nicht daran, dass seine Meinung wirklich zählt. Ein ehrlicher und offener Austausch findet nicht statt.

Gerade Grund Nummer 3 ist für Führungskräfte eine echte Herausforderung. Immerhin haben sie doch schon deutlich gesagt, dass sie Entscheidungen im Team treffen wollen!

Hemmnis für Mitarbeiter:innen: Fehlende psychologische Sicherheit

Woran liegt es also, wenn Mitarbeiter:innen sich trotzdem nicht in Entscheidungen einbringen?

Mitarbeiter Portrait: Theo Boitor
Theo Boitor ist Organisationsberater und Ausbilder für Führungskräfte.

Wir sprechen in diesem Fall von fehlender psychologischer Sicherheit.

Erfahrungen mit langen unproduktiven Meetings haben das Team verunsichert:  Sollen wir nun gemeinsam entscheiden oder lieber doch nicht? Ist wirklich gewünscht, dass ich mich beteilige, oder wollen wir Diskussionen lieber vermeiden und soll ich einfach nur den Vorschlägen der Führungskraft zustimmen? Wie offen und ehrlich darf ich meine Kritik äußern, ohne dass es für mich ein Nachspiel hat?

Für das Teammitglied ist die Konsequenz daraus: Es bringt nicht offen und ehrlich seine Perspektive ein, sondern hält sich erstmal zurück und beobachtet, was andere tun. Wenn es eine klare Meinung hat, entwickelt es vielleicht eine Taktik, um seine Position geschickt einzubringen. Das Teammitglied verfolgt, was andere wollen und welche Dynamik sich im Team entwickelt. Möglicherweise vermischen sich in der Diskussion unterschwellig noch andere Themen und Emotionen – oder jemand versucht, noch eine offene Rechnung zu begleichen.  Dabei hat das Teammitglied natürlich immer ein Auge auf die Führungskraft und sucht nach Bestätigung.

Die Folgen einer solchen für die Arbeitswelt nicht ungewöhnlichen Kultur? Das Verhalten kostet die Organisation Zeit, Energie, und beeinträchtigt die Qualität der Arbeit erheblich.

Teamentscheidungen treffen: Der Wert von Widerstand und Bedenken

Für einen neuen und konstruktiven Ausweg braucht das Team zunächst eine trainierte Führung oder Moderation, die es versteht, die Dynamik in der Gruppe zu lesen, in Beziehung mit den einzelnen Teilnehmer:innen zu treten, psychologische Sicherheit für eine offene Diskussion zu schaffen und die Methodik beherrscht, um trotz allem zügig zu einer gemeinsamen Vereinbarung zu kommen.

Denn es steckt eine Menge Weisheit im sogenannten „Nein“ – also in den Meinungen, die nicht dem Mainstream entsprechen. Widerstände und Emotionen, die sich in Einzelnen regen, können wertvoll für den Prozess sein – ebenso wie Zurückhaltung und Bedenken, die nicht sofort geäußert werden.

Klar ist: Erst wenn psychologische Sicherheit vorhanden und Polaritäten identifiziert und sichtbar gemacht sind, ist eine gute Entscheidungsfindung im Team möglich.

Doch wie gelingt es konkret, diese Widerstände, Emotionen und Bedenken als Mehrwert für die gemeinsame Teamentscheidung offen, ehrlich und zügig auf den Tisch zu bringen, um damit bewusst zu arbeiten?

Wie du als Führungskraft Entscheidungsprozesse im Team begleiten kannst

Die gute Nachricht: Psychologische Sicherheit in Meetings zu schaffen, kannst du als Führungskraft trainieren, wenn die ehrliche Überzeugung vom Mehrwert der Teamentscheidungen und der Perspektiven der Teammitglieder gegeben ist. Genauso wie die Fähigkeit, einen Entscheidungsprozess im Team innerhalb kurzer Zeit strukturiert zu moderieren.

Dabei gelingt es, durch das sogenannte „Lean in“ und „Lean out“ sowohl die eigene Meinung klar und deutlich einzubringen als auch den Rahmen für das Team zu schaffen, um in der Besprechung alle anderen Gedanken, Emotionen und Vorschläge ehrlich und transparent einzuholen. Diese kannst du zu einer gemeinsamen Entscheidung zu führen, die alle mittragen und gemeinsam umsetzen.

Damit diese konstruktive Entscheidungsfindung im Team möglich wird, müssen Führungskräfte:

  • Das Bewusstsein für die Gruppendynamik und das Vorhandensein unterschwelliger Konflikte besitzen
  • Den Willen haben, Teampotenzial und Perspektivenvielfalt zu nutzen
  • Einen Rahmen schaffen, in dem ehrliche Kommunikation möglich ist
  • Methoden zur Entscheidungsfindung einsetzen.

Schritt 1: Alle Meinungen einholen, Teamdynamik lesen und Probleme erkennen

Durch psychologische Sicherheit, Empathie und Klarheit, die drei sogenannten Metaskills, ermöglichst du, dass alle Meinungen geäußert und gehört werden ­– besonders auch dann, wenn sie nicht dem Mainstream angehören. Als Führungskraft oder Moderator:in bringst du eigene Perspektive klar ein und erkundest gleichzeitig bewusst und auf Augenhöhe alternative Perspektiven.

Schritt 2: Zum Neinsagen befähigen

Es gibt Verhaltensweisen im Team, die die Entscheidungsfindung zäh machen oder sogar behindern:

Man dreht sich immer wieder im Kreis, Themen werden wiederholt eingebracht, aber nicht weiterentwickelt, einzelne Teilnehmer melden sich gedanklich ab, schauen aufs Handy, arbeiten parallel andere Sachen ab … die Liste ist lang. Das ist frustrierend und am Ende freut sich alle, wenn die Führungskraft einfach entscheidet und man Klarheit hat. Bloß nicht mehr so viel zusammensitzen und reden müssen.

Wir nennen das „Cycling“ oder auch Edge-Verhalten.

Wenn Führungskräfte diese Verhaltensweisen kennen und sie im Team beobachten, können sie fast sicher sein: In puncto psychologischer Sicherheit gibt es noch Lücken zu schließen und Hindernisse zu erkunden. Das Credo hier lautet: „Make it safe to say ‚No’”. Durch Verkörpern der Metaskills fördert die Führungskraft oder Moderation die Kommunikation in der Gruppe: zuhören, Präsenz zeigen, sich aufeinander beziehen, auch „unorthodoxe“ Meinungen offen und direkt teilen.

Exkurs: Kontraproduktives Verhalten als Zeichen des Widerstands

Einen generellen Hinweis auf den Status Quo im Team kann die sogenannte Widerstandslinie geben: ein Diagnoseinstrument, das Verhaltensweisen in unterschiedlichen Eskalationsstufen aufzeigt.

Achtung: Nicht jede dieser Verhaltensweisen ist ein Hinweis auf einen Widerstand, aber ihr vermehrtes Auftreten deutet sehr wahrscheinlich auf Unzufriedenheit und schwelende Konflikte im Team hin.

Protest zeigt sich häufig zunächst noch nicht offen, sondern unterschwellig in Form von Witzen, Trägheit oder wiederholtem Zuspätkommen. Offenkundig und auch von außen erkennbar wird der Widerstand, sobald sich Störungen in der Kommunikation als ständige Missverständnisse oder sogar Streit und lautstarker Protest äußern. Die nicht gehörten Meinungen werden immer verzweifelter und beginnen, den Teamprozess zu stören. Je länger man auf der Widerstandslinie verweilt, desto größer ist die Gefahr, dass Probleme explosiv werden, was schließlich zu offenen Konflikten führt.

Schritt 3: Rollenfluidität ermöglichen, Polaritäten im Team auflösen

Im Entscheidungsprozess erzeugt die Führungskraft oder Moderation im Team eine sogenannte Rollenfluidität. Grundlage der Rollentheorie ist die Überzeugung, dass Meinungen und Emotionen nicht untrennbar mit einzelnen Individuen im Team verschmolzen sind, sondern unabhängig von den Personen als Teil des Teams existieren.

Entsprechend sind es die eingebrachten Perspektiven, die wir im Teamentscheidungsprozess erkunden  – unabhängig davon, welche Person genau sie äußert. Rollenfluidität trägt zur psychologischen Sicherheit bei. Durch Rollenfluidität verbreiten wir die einzelnen Perspektiven im Team („Spread the ‚No‘“). Wir erkunden, wer noch genauso oder so ähnlich denkt, oder wer eine ganz andere Meinung vertritt, die in der Folge wiederum erneut im Team verbreitet wird.

Der Effekt: Wir trainieren im Team die Fähigkeit, bei Auftreten von Polaritäten (in Form von Ja-Nein- bzw. Schwarz-Weiß-Diskussionen) gemeinsam sowohl aus der einen Perspektive ausführlich Argumente zu sammeln als auch aus der anderen.

Damit Veränderung stattfinden kann, ist es wichtig, dass Individuen nicht in einzelnen Rollen stecken bleiben. Das Team wird in die Lage versetzt, gemeinsam eine Perspektive einzunehmen und ermöglicht es der einzelnen Person damit, eine Meinung loszulassen.

Oft zeichnet sich in dieser Phase der Diskussion bereits eine Mehrheit für eine bestimmte Position oder Entscheidung ab, so dass die Führungskraft oder Moderation auf Basis des Gesagten einen ersten Vorschlag für eine gemeinsame Teamentscheidung formulieren kann.

Methoden-Exkurs: Die „Debatte“

Wenn eine klare Polarität in der Diskussion auftritt und keine Mehrheit im Team erkennbar ist, wird genau diese Fähigkeit der Rollenfluidität in einer sogenannten „Debatte“ eingesetzt. In der Debatte sammelt wie oben beschrieben das gesamte Team zunächst alle Argumente gemeinsam aus der einen Perspektive und danach aus der anderen. Anschließend wird in einem zweiten Durchlauf noch einmal aus der ersten Perspektive gesammelt, was in der ersten Runde noch nicht gesagt wurde, danach analog aus der zweiten Perspektive.
Zum Abschluss werden die wesentlichen auftretenden Einsichten jedes Teammitglieds gesammelt (Aha-Erlebnisse, Besonderheiten, Überraschungen) und auf dieser Basis der Vorschlag einer gemeinsamen Teamvereinbarung formuliert.

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Schritt 4: Die gemeinsame Teamentscheidung

Über den Vorschlag einer gemeinsamen Teamentscheidung entscheiden alle Anwesenden zusammen per Handzeichen. Alle Teammitglieder sind gleichberechtigt, jede Stimme zählt. Sobald sichtbar wird, dass ein Großteil der Gruppe mit der vorgeschlagenen Vereinbarung mitgehen kann, kommt das Besondere: Wir integrieren die Minderheit bewusst in die finale Entscheidungsformulierung. Dahinter steckt die Überzeugung, dass hinter jedem Zögern und jeder Enthaltung eine Weisheit und ein Mehrwert für die Gruppe als Ganzes steckt.
„Was brauchst Du, um mitzugehen?“, lautet die entscheidende Frage. Die Antwort wird in die Formulierung der Vereinbarung eingeflochten und erneut im Gesamtteam zur Entscheidung eingebracht. Erst mit der Zustimmung jeder einzelnen teilnehmenden Person gilt die Entscheidung als getroffen.

Fazit: Gemeinsames Erleben schafft Umsetzungskraft

Das Erleben eines solchen strukturierten Teamprozesses und die bewusste aktive Zustimmung für die gemeinsam formulierte Vereinbarung beeinflussen die Haltung der Teammitglieder sowohl in Bezug auf die Ownership für die Entscheidung als auch auf die Handlungsenergie in der gemeinsamen Umsetzung. Gleichzeitig erhöht die Erfahrung die allgemeine psychologische Sicherheit im Team. Der Prozess braucht zunächst etwas Übung. Aber sobald Haltung, Methode und Rollenfluidität zur Routine werden, sind Teams schnell in der Lage, auch schwierigere Entscheidungen strukturiert in bis zu 20 Minuten gemeinsam zu treffen.

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