„In unserer Ausbildung habt ihr in mir stark eine Führungskraft gesehen und dann habe ich es irgendwann selbst auch gesehen.“ – Ein Gespräch mit Liza Torres

Autor: Friederike Schöch

· Veröffentlicht: · Zuletzt aktualisiert: ·

Führung, Interview, Organisationsentwicklung

· 12 Min. Lesezeit

Liza Torres, HR-Chefin der accompio GmbH, begann ihre berufliche Laufbahn als Assistenzkraft beim Deutschland-Chef von Egon Zehnder und ist heute eine erfolgreiche Führungskraft.

Im Interview mit Johannes Schley erzählt sie von ihrem Werdegang und welche Rolle die Ausbildung zur Systemischen Organisationsberaterin an der IOS Akademie dabei spielte. Sie berichtet, wie sie durch die Ausbildung ihre beruflichen Perspektiven grundlegend verändern konnte – von der Assistentin zur HR-Chefin – und wie die systemische Denkweise ihr heutiges Arbeiten beeinflusst.

Liza Torres

Interview:

JOHANNES: Wir feiern dieses Jahr das Jubiläum unserer Ausbildung. 1999 haben Vera und Willy gesagt: „Das braucht die Welt!“, und die Welt hat gesagt: „Das stimmt, brauchen wir“. Und Du bist ja auch eine derjenigen, die sich dafür entschieden hat. Wann hast Du denn deine Ausbildung gemacht, weißt Du das noch?

LIZA: Das war 2017/2018.

JOHANNES: Weißt Du noch, warum Du damals zu uns gekommen bist und was die Verbindung zu uns war?

LIZA: Ja, das weiß ich noch ganz genau. Ein Arbeitskollege von Egon Zehnder hat mich zu euch geschickt.

JOHANNES: Was hat er Dir gesagt?

LIZA: Er meinte: „Liza, es kann nicht sein, dass Du nur Assistentin bist. Du musst endlich in die erste Reihe treten und etwas aus Dir machen. Du könntest doch zu IOS in die Ausbildung gehen, die werden Dich weiterbringen.“ So war das.

JOHANNES: Was für eine Assistenz warst Du?

LIZA: Ich war die Assistentin des damaligen Deutschland-Chefs von Egon Zehnder.

JOHANNES: Und jetzt bist Du…?

LIZA: Heute bin ich Head of People & Organisation bei der accompio Gruppe.

JOHANNES: Ja, dann hatte der Kollege, der Dich zu uns geschickt hat, offensichtlich recht!

LIZA: Ja, daran seid ihr auch mit schuld. Ich vermute, ich bin eine Erfolgsstory. Du Johannes, hast einen großen Anteil daran, denn du hast mein Projekt in der Ausbildung benannt. Du hast gesagt, ich soll vom Leichtgewicht zum Schwermatrosen werden und das wurde dann mein Projekt-Motto. Das hast du mit mir formuliert und mich im Riemann-Schley-Modell in die strategische Ecke geschoben. In unserer Ausbildung habt ihr in mir stark eine Führungskraft gesehen und dann habe ich es irgendwann selbst auch gesehen. Vorher nicht – im Leben nicht (lacht).

JOHANNES: Das erinnere ich gar nicht mehr so. Es klingt so, als hätte ich da einen klaren Plan gehabt, dabei ich habe eigentlich nur das verstärkt, was schon da war, sonst geht es ja gar nicht.

LIZA: Ich erinnere es sehr gut. Das braucht es dann auch manchmal, es jemand von außen sieht, wenn man es selbst nicht sehen kann. Das Ganze ist fast rührend, ich bin gerade auch ein bisschen gerührt.

JOHANNES: Das ist auch für mich das Besondere dieser Ausbildung. Ich habe sie mir ja nicht selbst ausgedacht, sondern nur weiterentwickelt. Es ist immer wieder faszinierend, was die Ausbildung an jedem einzelnen persönlich macht. Das betonst Du auch gerade.

LIZA: Ja, genau das ist es…. Soll ich einfach mal erzählen, was ich bei euch erlebt habe?

JOHANNES: Ja, gerne.

LIZA: Gerade in den ersten Modulen sind wir tief in uns selbst eingetaucht. Dabei sind wir teils sogar in unser Unterbewusstsein vorgedrungen, etwa durch die Traumreisen. Wir haben intensiv das Vergangene reflektiert – dieses Triptychon aus Vergangenheit, Ist-Zustand und Zielzustand – und uns mit unserer eigenen Entwicklung auseinandergesetzt.

Das bedeutet, wir haben nicht nur viel Selbstreflexion betrieben und uns im größeren Kontext eingeordnet, sondern dies auch im Austausch mit unserer Vertrauensgruppe gespiegelt. Diese Gruppe hat uns dabei unterstützt, indem sie uns aus einer anderen Perspektive wahrgenommen und wertvolles Feedback gegeben hat.

Die erste Übung erinnere ich noch ganz genau – die bleibt bestimmt jedem im Gedächtnis. Ihr habt sie „Das Geschenk des ersten Eindrucks“ genannt. Dabei haben wir von allen Teilnehmern den ersten Eindruck gespiegelt bekommen. Dieser Moment ist besonders, weil er neutral ist und sich später nicht mehr genauso einfangen lässt.

Dieses Feedback war anders als alles, was man sonst bekommt. Direkt zu Beginn wurde das Zusammenspiel aus Trainer, Methode, der eigenen Selbstreflexion und dem externen Feedback spürbar. Dadurch ist man tief in die eigene Persönlichkeit eingetaucht. Das ist großartig, weil genau dadurch eine Veränderung angestoßen wird. Man lernt sich selbst kennen, um herauszufinden, wer man in dieser Welt überhaupt sein kann.

JOHANNES: Okay. Ja (lacht).

LIZA: Warum lachst du?

JOHANNES: Ja, weil das so stimmt und es trotzdem doll klingt…  aber da steckt schon Überzeugung hinter. Die Überzeugung ist, dass wir in der Beratung nicht einfach nur Methoden anwenden, sondern dass wir nur uns selbst einbringen können, als Instrument und deswegen müssen wir uns selbst kennen.

LIZA: Ja, richtig.

JOHANNES: Jetzt arbeitest Du nicht in der Beratung, sondern bist in einer internen Rolle. Was hat Dir denn diese Ausbildung, die ja eher auf systemische Organisationsberatung gemünzt ist, dafür geliefert?

LIZA: Ja, ich bin auch in meiner internen Rolle weiterhin Systemikerin. Ich betrachte bewusst immer die Interaktionen und wechselseitigen Abhängigkeiten – das System als Ganzes und auch das System im System. Rückblickend hat mich genau diese Sichtweise auf die strategische Ebene gebracht, insbesondere in meiner Rolle als Personalleiterin.

Das war früher noch gar nicht so gefragt. Personal hing häufig unter dem Finanzeressort und war administrativ bzw. operativ ausgerichtet. Dann kam dieser immense Transformationsdruck, der auf die Unternehmen wirkt und sie förmlich vor sich hertreibt. Dadurch wird von HR plötzlich viel mehr verlangt, und das ist inzwischen auch im Bewusstsein vieler Geschäftsführungen angekommen. HR-Leiter sitzen jetzt mit am Vorstandstisch oder in den Top Management Teams und werden in strategische Entscheidungen einbezogen, zumindest wenn es gut läuft. Die People Strategy ist optimalerweise eng mit der Unternehmensstrategie verknüpft und sollte deshalb ein integraler Bestandteil sein.

Wie stark auf ihre Perspektive gehört wird und ob sie wirklich aktiv mitgestalten, ist eine andere Frage – aber genau das muss der nächste Schritt sein.

JOHANNES: Wie nutzt Du denn das Gelernte bei Dir, im Täglichen?

LIZA: Durch die Ausbildung hat das systemische Denken bei mir Einzug gehalten, insbesondere die Betrachtung von Organisationen als Systeme – mit den Bereichen, den Teams und schließlich auch auf das Individuum bezogen. Diese Unterscheidung hilft mir heute enorm, zum Beispiel bei der Identifikation von Leidensdruck, der Problem-Analyse und -Lösungsfindungen. Man kann Herausforderungen eben nicht isoliert betrachten, weil immer noch ein weiterer Layer darunter, darüber oder daneben liegt. Die Wechselwirkungen innerhalb von Organisationen sind komplex, die Ursache eines Missstands oder eine Blockade liegt oft woanders, als au den ersten Blick ersichtlich. Das war ein zentraler Teil der Ausbildung.

Der andere Aspekt war die Methodenkompetenz.

Ich erinnere mich noch genau, wie unglaublich viele Methoden wir gelernt haben. Als die Ausbildung vorbei war, dachte ich: „Wow, so eine große Vielfalt – und was mache ich jetzt damit? Wie kann ich das überhaupt anwenden, wie schaffe ich den Transfer und bringe das Ganze in die Wirksamkeit?“ Das kann anfangs auch mal frustrierend sein.

Aber das gesamte Mindset wurde durch die Ausbildung geöffnet und in eine klare Richtung gelenkt. Wir haben viele Analyse-Ebenen kennengelernt, konkrete Begriffe und Methoden an die Hand bekommen und eine klare Struktur, wie wir vorgehen können. Wie betrachtet man ein System? Wie zerlegt man es? Dieses Mindset habe ich dann direkt angewendet, und nach und nach hat es sich konkretisiert. Man holt die Unterlagen raus und denkt: „Ach ja, stimmt, da war ja das innere Team, das U-Modell und das Riemann-Schley-Modell.“ Irgendwann macht man dann den ersten internen Workshop mit dem eigenen Team und sagt: „Okay, stellt euch mal im Riemann-Schley-Kreuz auf“, und plötzlich funktioniert es. Dann folgt der nächste Workshop, und irgendwann gibt man solche Workshops auch beruflich für andere – und wird dafür bezahlt.

Das ist genau die Entwicklung, die wir im Change-Management immer predigen: Man kann es nicht sofort perfekt, sondern benötigt Wiederholung, um es zu verinnerlichen. Es ist wie ein Muskel, den man trainiert. Ohne die Ausbildung wäre das alles nicht so gekommen. Man merkt erst später, wie stark sie einen geprägt hat, wenn man auf die eigenen Erfolge zurückblickt und erkennt: „Ja, das kann ich tatsächlich darauf zurückführen.“ Und das ist ziemlich cool.

JOHANNES: Ja wirklich. Also, ich höre das natürlich sehr gerne.

LIZA: Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die wissenschaftliche Komponente. Ihr habt viele Bücher, Lektüren und Namen eingebracht, die mich zusätzlich inspiriert haben. Bei mir wird da grundsätzlich die Neugier geweckt – ich google die Themen, schaue mir mehr dazu an und forsche weiter. Dann gibt man das nächste Schlagwort ein, hört irgendwo noch etwas Interessantes oder findet sich plötzlich in einer Community wieder, die sich mit ähnlichen Themen beschäftigt.

So entwickelt sich das Wissen weiter. Es wurde ein Grundstein gelegt, auf dem man Expertenwissen aufbauen kann, und von dort aus entfaltet sich der Prozess Schritt für Schritt.

JOHANNES: Für mich ist es faszinierend, dass mit dieser Ausbildung, die es in dieser Form vorher noch nicht gab, ein ganz neues Berufsfeld geschaffen wurde: die systemische Organisationsberatung. Neben der gestärkten Rolle, die CHROs heute in Unternehmen einnehmen, finde ich besonders spannend, dass wir aktiv an der Entstehung dieses Berufsfeldes mitgewirkt haben. Und obwohl Du als Personalleiterin in einer anderen Funktion arbeitest, nutzt Du doch genau diese Inhalte in deiner täglichen Arbeit.

Das finde ich bemerkenswert. Hast Du dazu Gedanken?

LIZA: Ja, ich lebe das eigentlich täglich, nur eben als interne Beraterin. Diese Rollenklarheit ist für uns HRler tatsächlich nicht immer einfach – das höre ich auch oft aus meinem Netzwerk. Der Bereich der Aufbauorganisation fällt in meinen Verantwortungsbereich. Mein Titel ist „Head of People and Organisation“, was ich bewusst so gewählt habe. Viele Probleme, die wir im HR lösen sollen, liegen beispielsweise in der Aufbauorganisation. In der Veränderung von Unternehmen, sollten wir diese immer mitdenken.

Unser Unternehmen verfolgt eine klare anorganische Wachstumsstrategie mit regelmäßigen Zukäufen. Das bedeutet als Konsequenz immer Post-Merger-Integration, klassisches Change Management und Organisationsentwicklung – alles Themen in die mein Team involviert ist, und somit auch einen zentralen Bestandteil meiner Rolle ausmacht.

JOHANNES: Du hast also mehrere Rollen.

LIZA: Absolut! Was übrigens eine Herausforderung ist, weil es dafür selten genügend Ressourcen gibt. Der erste Teil meiner Arbeit besteht darin, „im System“ zu arbeiten. Das bedeutet, ich bin als ‚Head of People and Organisation‘ Teil des Systems und kümmere mich um all die typischen HR-Instrumente: HR-Prozesse, Recruiting, Personalentwicklung, Performance Management und so weiter.

Der zweite Teil ist, „am System“ zu arbeiten, also an der internen Organisationsentwicklung, insbesondere an der Aufbauorganisation. Ich überprüfe die Job-Familien, die Verantwortlichkeiten der Rollen und die Abläufe innerhalb der Organisation und schaue dabei, wie das alles auf die Unternehmenskultur wirkt. Hier bin ich als Organisationsentwicklerin ganz vorne mit dabei. Hinzu kommen die Integrationsprojekte und die Leadership-Themen. Leadership ist inzwischen – sagen wir mal – zu 80-85% gleichbedeutend mit Kultur. Wenn wir über Kultur sprechen, geht es im Kern oft um Leadership-Themen und die Befähigung von Führungskräften: Ausbildung, Personalentwicklung, Teamentwicklung, Reflexionstechniken, Onboarding und so weiter. Das ist genau das, was wir bei euch gelernt haben.

JOHANNES: Das sehe ich genauso. Moderierst Du auch selbst?

LIZA: Ich moderiere super viele Workshops, physisch und digital. Dazu gehören Teambuilding-Workshops, Werte-Workshops, strategische Management-Workshops, alles Mögliche. Ich wende bei Problemstellungen immer Methoden an, um ergebnisorientierter zu arbeiten und den Impact messen zu können. Das heißt, es passiert ständig. Meistens hat man dann auch noch ein Auge auf die interne Kommunikation, obwohl das offiziell nicht zu unserem Bereich gehört – aber es passt eben oft ganz gut zusammen.

JOHANNES: Du hast ja einen breiten Überblick über die verschiedenen Ausbildungsanbieter. Was würdest Du sagen, macht den Unterschied bei uns aus? Was siehst Du als unsere besondere Zutat oder was zeichnet uns besonders aus?

LIZA: Danke. Ich habe keine vergleichbare Ausbildung woanders gemacht, aber ich kenne den Aufbau und die Methoden anderer Trainer, Organisationsentwickler oder Führungskräfteentwickler. Besonders an eurer Ausbildung fand ich die Reichhaltigkeit. Es war ein sehr strukturierter Aufbau, mit unglaublich viel Input, und es gab einen Aspekt, den wir untereinander immer wieder thematisiert haben. Das heißt, ich spreche hier nicht nur für mich, sondern für die ganze Gruppe: Die Ausbildung hatte Tiefgang. Und das war das Besondere! Es ging nicht nur um Wissensvermittlung, sondern auch um die persönliche Ebene, ein Date mit sich selbst. Oft mussten wir nach den Samstagsmodulen erstmal ein Glas Wein trinken und gar nicht reden, weil so viel aktiviert wurde – auch im Unterbewusstsein. Das musste man erst einmal verarbeiten (lacht).

Dieser Tiefgang hat auch in der Gruppendynamik gewirkt. Wir haben besondere Vertrauensverhältnisse aufgebaut. Unsere Gruppe trifft sich bis heute, und wir besprechen alles – von den privatesten Themen bis hin zum Beruflichen. Wir sind radikal ehrlich zueinander. Wir sagen: „Das ist nicht gut, was du da machst“, oder „Reiß dich mal zusammen“ und „Schau mal genauer hin“. Dieses Vertrauen wurde in der Ausbildung gelegt, weil wir dort immer wieder in intensive Feedbackprozesse gegangen sind. Das war wirklich super wertvoll.

JOHANNES: „Reiß Dich mal zusammen“ ist tatsächlich eine der besten systemischen Interventionen, die es gibt. 😉 Aber dieses genaue Hinsehen und das Feedback auch wirklich ansprechen zu können – das geht nur, wenn die Beziehung trägt. Es darf eben nicht alles in Watte gepackt werden, sodass am Ende keine klare Botschaft mehr bleibt.

LIZA: Ja, dafür bin ich auch nicht bekannt.

JOHANNES: Das kann man wohl sagen.

LIZA: Klare Kommunikation ist oft schwierig, aber wichtig. Ich glaube, das Besondere bei euch war der Tiefgang und die Art, wie ihr Feedback aktiviert habt. In jedem Modul gab es interaktive Übungen, bei denen intensive Reflexionen stattfanden – Selbstreflexion, Reflexion durch andere und Resonanz. Ich versuche, auch mein Team heute dorthin zu bringen. Wenn ich einen Workshop leite, habe ich immer ein jüngeres Teammitglied dabei, das nur auf die Resonanz achtet, um das Bewusstsein dafür zu schärfen. Das wird dann irgendwann auch teil der Teamkultur, ich meine reflektives Denken oder Hinterfragen, somit gibt man das weiter und wirkt damit auch auf kultureller Ebene.

JOHANNES: Verstehe.

LIZA: Es geht um Beobachtungsgabe und Aufmerksamkeit.

JOHANNES: Genau. Denn eigentlich ist ja alles da – man muss es nur wahrnehmen und nutzen.

Und damit sage ich: Vielen Dank, Liza!

LIZA: Sehr gerne, Johannes! Dir weiterhin viel Erfolg!

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