„Wir selbst sind das Werkzeug“ – Ein Gespräch mit Organisationsberater Wolfhart Pentz

Autor: Friederike Schöch

· Veröffentlicht: · Zuletzt aktualisiert: ·

Führung, Interview, Organisationsentwicklung

· 10 Min. Lesezeit

Aus einer Workshoperfahrung als Teilnehmer entwickelte sich für Wolfhart Pentz über die letzten Jahrzehnte ein neues berufliches Themenfeld, in dem er sich vom klassischen strategischen Beraterdasein bei McKinsey & Company zum Systemischen Organisationsberater entwickelte. Heute ist er Director Leadership Advisory bei der Egon Zehnder International GmbH.

Im Interview mit Johannes Schley erzählt er, wie es dazu kam und auch, welchen Anteil er als Referent und Mitentwickler der Ausbildung Systemische Organisationsberatung an der IOS Akademie hatte.

Interview:

JOHANNES: Wolfhart, wir sprechen ja, weil wir 1999 – vor 25 Jahren– angefangen haben, die Ausbildung Systemischen Organisationsberatung durchzuführen. „Wir“ heißt in dem Fall Vera Schley und Wilfried Schley. Und wir beide, Du und ich, haben uns 2009 kennengelernt, weil du ein Modul in der Ausbildung mitgestaltet hast. Ich habe mich das zwar damals noch nicht gefragt, aber jetzt frage ich mich: Wie kam es eigentlich dazu?

WOLFHART: Ich habe ja mit deinem Vater schon hin und wieder mal gearbeitet. Den habe ichals Teilnehmer von einemWorkshopprogramm kennengelernt, das er gemacht hat. Das war eine Serie von, ich glaube, 8 Workshops mit dem Titel Persönliches Kompetenztraining. Das war im Wesentlichendie Arbeit mit KTC, also demKollegialenTeamCoaching,und das war eine sehr schöne Erfahrung. Ich fand die Inhalte sehr angenehm und auch wie er das angeleitet hat. Ich habe seither auch viel damit gearbeitet.

JOHANNES: Wie ging es dann weiter? 

WOLFHART: Wir sind uns dann immer mal wieder begegnet und haben uns auch immer mal wieder unterhalten, über alle möglichen Projekte.  Insbesondere auch das Thema Schule. Dein Vater hat das ja sehr stark gefördert, und ich hatte auch einen starken Wunsch, mich da irgendwie zu beteiligen. Ich habe auch in der Zwischenzeit immer mal wieder mit Schulen gearbeitet, aber nie mit ihm gemeinsam. Irgendwann kam seine Frage, ob ich mir vorstellen könnte, da mal mit in das Programm zu kommen, zum Thema Change. Damals war ich sehr stark als Praktiker unterwegs und habe sehr viele Veränderungsprogramme in Organisationen als Berater begleitet. Viel von dem, was ich im KTC und in anderen Trainings gelernt hatte, haben wir auch angewandt. Insofern passte das ganz gut. 

JOHANNES: Du selbst bist ja, außer durch die intensive Erfahrung im persönlichen Kompetenztraining, nicht als Teilnehmer unserer Ausbildung mit dem IOS in Berührung gekommen, sondern dann auf der Referentenseite. Was hat denn deinen Stil geprägt? Also wodurch warst denn du, wenn ich mal so frech fragen darf, qualifiziert, das mit reinzubringen? 

WOLFHART: Ich hatte ganz viele Menschen, die mich beeinflusst haben. Ganz viele Lehrer und Lehrerinnen könnte man sagen. Du weißt ja, ich war 15 Jahre bei McKinsey, die meiste Zeit in einer Entwicklungsrolle. Ich war 5 Jahre lang ein klassischer, strategischer Berater und bin dann in diesen Bereich gewechselt, in dem wir sehr stark auf Entwicklung gesetzt haben. Und da gab es viele Möglichkeiten, tatsächlich Dinge neu und dazu zu lernen. In meinem allerersten Projekt hatte ich schon ein Teamcoaching. Es war leider nur ein Pilotprojekt, was ich damals nicht wusste, aber es hat sehr stark auch eine Entscheidung mit beeinflusst, tatsächlich bei dieser Beratungsfirma zu bleiben. Es war ein großartiges Erlebnis als Empfänger. Ich habe schnell gemerkt, dass es Spaß macht und mir liegt, und dann habe mich in dem Bereich weiter qualifiziert. 

JOHANNES: Ich kann mir vorstellen, dass du damit bei McKinsey eher einen ungewöhnlicheren Fokus eingebracht hast. Wie ging es denn damit? Es ist auch eine Erfahrung, dass der systemische, organisationsberaterische Blick die strategische Beratungssicht gut ergänzen kann. Wie war denn deine Erfahrung dazu, wo du doch direkt bei dem Strategieberater schlechthin warst? 

WOLFHART: Also, das war für mich dann eigentlich keine beraterische Rolle mehr, sondern eher eine coachende Rolle. 

JOHANNES: Intern für die anderen?  

WOLFHART: Auch für die Klienten.  Da war schon eine Spannung. Das Selbstverständnis einer Strategieberatung ist natürlich zu beraten, und ich war mit meinem Ansatz in einer Minderheit. Aber ich war beileibe nicht der Einzige. Es gab schon eine größere Gruppe weltweit, die mit dieser Art von Techniken und Denkschulen gearbeitet und die eben den Anspruch hatte, gemeinsam mit den Klienten etwas zu entwickeln und nicht einfach nur die Lösung zu präsentieren und dann irgendwie umzusetzen. Die Spannungen waren mal kreativ, mal nicht so, aber immer sehr spürbar. 

JOHANNES: Ja, und nun hast du das IOS punktuell zu mehreren Zeitpunkten erlebt. Was ist denn dein Blick auf uns von außen? Was verbindest du mit dem IOS? 

WOLFHART: Ich finde, dass ihr in all den Jahren so eine bestimmte Richtung beibehalten habt. Ihr verbindet die beiden Fragen „Was passiert eigentlich in mir?“ und dem Dialog mit dem, was außen passiert, also auf innerer und äußerer Dynamik basierend. Das war immer sehr konsistent und zugleich war da auch immer sehr viel überraschend Neues. Also ich kam niemals mit Gedanken aus den Gesprächen, dass es genau so war, wie ich erwartet hatte, sondern es gab immer wieder auch neue Impulse. Also eine interessante Dynamik zwischen Konsistenz und euren innovativen Gedanken. 

JOHANNES: Seit 2016 bin ich ja der Instituts-Nachfolger, ich führe das Familieninstitut weiter. Inzwischen wissen wir, dass 1999 eine Ausbildung in die Welt gestellt wurde, die mittlerweile zu einem Berufszweig geworden ist, den es aber vorher nicht gab. Jetzt kann man als Organisationsberater unterwegs sein. Das war damals noch kein Begriff, heute ist er allerdings mehr und mehr etabliert. Wie siehst Du das? 

WOLFHART: Ja, ich glaube zunächst einmal ist es auch kein Zufall, dass die Rolle jetzt etablierter ist, weil sie auch akzeptierter ist. Wenn ich mich an meine Zeit bei McKinsey erinnere, fällt mir auf, dass wir damals auch eine Variante dieser Rolle gespielt haben oder es jedenfalls versucht haben. Das war in jeden Fall reich an Spannung. Nicht nur intern mit den Kollegen, sondern die (äußere) Erwartung war schon hoch, dass etwas präsentiert wurde, was sozusagen bereits wie eine Lösung war und nicht, dass man wie man als Organisationsberater arbeitet, gemeinsam etwas entwickelt und der Ausgang dessen oder das Ergebnis eigentlich offen war. Das brauchte, glaube ich, auch seine Zeit, wenn man mal zurückdenkt.  

JOHANNES: Der Kern von Organisationsberatung ist ja die Begleitung von Veränderungsprogrammen, wie wurden die gemacht?

WOLFHART: Sehr stark beeinflusst hat die ganze Szene ja John Kotter mit seinen 8 Schritten, die übrigens immer noch eine hohe Validität haben. Wir wissen inzwischen längst, dass es emergente Prozesse sind, die eben nicht von vornherein festgelegt und planbar waren, sondern Prozesse, die man eher auf dem Weg entwickelt.   

JOHANNES: Transformationsprozesse.  

WOLFHART: Transformationsprozesse genau. Bei denen man nicht genau weiß, wie es eigentlich ausgeht, sondern man gibt einen Impuls rein. Natürlich hat man dabei einen Plan, weil ohne Plan „irgendwie“ reinzugehen, ist auch schwierig. Aber die Überzeugung sitzt tief, dass dieser Plan eben erst mal nur ein Plan ist, und man wirft als ersten Schritt nur den ersten Impuls rein, schaut was passiert, reagiert darauf und versucht, sozusagen das zu erreichen, was man erreichen möchte, aber dabei auch möglichst offen zu sein für das, was auch noch passieren könnte.

JOHANNES: Glaubst Du dieses transformative, emergente Vorgehen setzt sich mehr durch?

WOLFHART: Ja! Das ist, glaube ich, heutzutage mehr anerkannt, weil man inzwischen auch gesehen hat, dass viele Veränderungsprojekte tatsächlich nicht gelingen. Es gelingen eher die Dinge, die eben auf diese Art und Weise durchgeführt werden. Von daher ist die Akzeptanz höher und das hat, glaube ich, auch mit der zunehmenden Wahrnehmung von Komplexität zu tun. Wahrscheinlich ist auch die Welt komplexer geworden, aber zumindest die Wahrnehmung dessen, dass die Dinge komplex sind, ist dramatisch gestiegen.  

JOHANNES: Und dann kommen wir mit Reduktion der wahrgenommenen Komplexität. 

WOLFHART: Genau, denn damit einher geht eben auch der Ruf nach: Wie macht man das eigentlich in so einer unplanbaren Welt, in der man nicht mal Vorhersagen treffen kann, Dinge, von denen man früher glaubte, dass man sie vorhersagen könnte? Wie agiert man da eigentlich? Da ist, glaube ich, die Rolle von Organisationsberatern und -beraterinnen einfach wichtig. Das eine von deren Kernkompetenzen. 

JOHANNES: Du hast ja auch schon viele Menschen gesehen in diesem Feld. Gibt es persönliche Eigenschaften oder Neigungen, die man mitbringen sollte, um darin gut arbeiten zu können? Für mich ist eine der Kernkompetenzen, die man mitbringen sollte, das Interesse grundsätzlich als Haltung und das Interesse an sich selbst. Das ist für mich auch der Unterschied zwischen Fachberatung und Prozessberatung, dass ich am Verlauf interessiert bin an meinem Gegenüber, den Besonderheiten und auch an mir selbst und meiner Reaktion im Prozess. Gibt es etwas Ähnliches auch für dich? Woran würdest du festmachen, ob jemand ein Talent mitbringt für diese Tätigkeit? 

WOLFHART: Ja, ich würde dir da zustimmen. Ich finde da ist auch dieses Spiel, das ich vorhin versucht habe zu beschreiben, welches ich auch bei euch so erlebt habe. Dieser Dialog zwischen der inneren und der äußeren Dynamik. Wir haben sehr viele Informationen, die wir bekommen und das sind nicht alles sozusagen Zahlen, Daten und Fakten. Viele Informationen, mit denen wir arbeiten, sind eben auch intuitiv erspürte Signale und so weiter. Und von denen lesen wir ja nur ein Bruchteil und das ist auch richtig so, denn wir können nicht alle Signale, die wir aufnehmen, verarbeiten. Aber eben diese Sensibilität für das, was eigentlich in mir vorgeht, und wie das mit dem, was um mich herum passiert, korrespondiert, das finde ich, ist schon eine Kompetenz, die man entwickeln muss. Dazu gehört vielleicht, so hatte ich dich auch verstanden, so ein Interesse daran zu explorieren, wer bin ich eigentlich und wer bin ich eigentlich noch? Genau diese Frage nach der Identität und mit diesen gleichen neugierigen Fragen eben auch auf die Welt zu schauen, ohne da eine vorher festgelegte Erwartung zu haben, die ich mit so einer Art von Bestätigungs-Bias dann auch vorfinde. Es geht darum, eben in einer großen Offenheit zu agieren. Das ist, glaube ich, etwas, das muss man mögen. Dazu gehört eben tatsächlich auch eine Freude an dem Nicht-Planbaren. Also wer einen großen Bedarf hat, die die Dinge, die morgen und übermorgen passieren, heute schon möglichst gut zu wissen, der ist wahrscheinlich in diesem Beruf und in der Rolle nicht so glücklich. 

JOHANNES: Ja, was du da sagst, teile ich. Dass man sich selbst und auch die eigene Identität anschaut, um sich zu fragen, wer bin ich eigentlich, wer möchte ich sein? Um das dann auch mit den Kunden zu tun, die auch herausfinden wollen, was für ein Unternehmen sind wir eigentlich und was wollen wir sein? Ich finde, das ist auch der Fokus unserer Ausbildung, dass wir darauf schauen, wir die Person eigentlich zum Instrument der Beratung werden und nicht irgendwelchen Leuten irgendwelche Tools beibringen. Wir selbst sind das Werkzeug, wenn man so sagen will. 

WOLFHART: Absolut, das ist ja auch eine Gefahr, wenn man mit Tools und Frameworks arbeitet, dass man dann zum Sklaven eben dieser Frameworks wird oder auch den Prozess sklavisch an diesem Framework ausrichtet – und das ist genau nicht das, was hilft. Das Framework sollte im Dienst der Sache stehen und nicht umgekehrt. 

JOHANNES: Vielleicht machen wir einen Punkt. Ich muss sagen, ich schätze unseren Austausch immer sehr und es tut mir gut, zu wissen, dass du mit anderen Menschen irgendwo auch diese Prozesse begleitest. Das ist ohnehin eine der großen Freuden des Ausbildungsinstitut, dass ich viele Menschen kennenlerne, die dann in ihren Feldern Gutes tun. 

Ich danke dir für das Interview und ich wünsche dir weiterhin viel Wirksamkeit in dem, was du da so tust.  

WOLFHART: Vielen Dank Johannes, das wünsche ich dir natürlich auch. Wunderbar, ich schätze es auch sehr, dass wir uns austauschen. Ich freue mich auch sehr, dass wir jetzt gemeinsam auch in der Team Coaching Ausbildung wieder zusammenarbeiten werden. Das ist ein Highlight. 

JOHANNES: Für mich auch, bin schon etwas aufgeregt. 🙂 

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